Das Coronavirus hat nun auch das Camerloher-Gymnasium erreicht. Es ist zwar niemand unmittelbar betroffen. Aber die Schulleitung hat aus Vorsorge am Dienstagvormittag (03.03.2020) beschlossen, die für Mittwoch- und Freitagabend angesetzten Frühjahrskonzerte abzusagen. Das Konzert fand am Mittwoch unter Ausschluss des Publikums dennoch statt. Es wurde professionell auf Video aufgezeichnet, sodass die beteiligten Schülerinnen und Schüler zumindest eine Erinnerung an das Konzert in Händen haben.

Zahlreich Veranstaltungen fielen in den letzten Tagen dem Coronavirus zum Opfer. Manches Fußballspiel in Italien fand ohne Fans statt. „Das war eine ganz schwierige Entscheidung“, räumte Schulleiterin Andrea Bliese ein. „Wir konnten es nicht verantworten, dass tausend Menschen dicht gedrängt in unserer Aula beim Konzert anwesend sein würden.“

„Das ist schon bitter für unsere Schülerinnen und Schüler, die sich in den letzten Wochen sehr intensiv und mit großem Zeitaufwand auf diese beiden Konzerte vorbereitet haben“, zeigte freilich Musikfachschaftsleiter Sebastian Brand vollstes Verständnis für diese Maßnahme.

Die Überlegung der Camerloher-Musiker war nun, dieses Konzert unter Ausschluss des Publikums, wie so manches Fußballspiel, dennoch durchzuführen, damit wenigstens die beteiligten Schülerinnen und Schüler ein Konzerterlebnis haben können und damit das Konzert auf einem Tonträger und per Video festgehalten werden konnte.

Festlich gekleidet, wie es sich für ein solches Konzert auch gehört, nahmen die Schülerinnen und Schüler am späten Mittwochvormittag ihre Plätze ein, um ihr Konzert zu präsentieren. Es war schon eine eigenwillige Atmosphäre. Die rund 700 Zuhörerplätze in der Konzertaula des Camerloher-Gymnasiums blieben leer. Auf der Bühne konzentrierten sich die Nachwuchsmusiker, um eine perfekte Performance abzuliefern.

Besonders bitter war es für alle Beteiligten, dass eine Welturaufführung nicht in aller Öffentlichkeit stattfand. Denn Peter Michael von der Nahmer, ehemaliger Camerloher-Absolvent, der mittlerweile in York lebt und im Bereich der Tanz- und Theaterkompositionen zu den ganz Großen der Szene zählt, hatte für das Camerloher-Frühjahrskonzert ein Stück geschrieben. Er war eigens aus New York angereist, um nicht nur der Welturaufführung beizuwohnen, sondern eine Einführung zu geben und auch bei den Abschlussproben mit Rat und Tat beiseite zu stehen.

Peter Michael von der Nahmer und Sebastian Brand verbindet eine langjährige Freundschaft. Im Jahre 1996 ist von der Nahmer zum Leistungskurs Musik vom Münchner Gisela-Gymnasium ans Camerloher gekommen. „Der Hauptgrund, warum ich nicht ans Münchner Pestalozzi-Gymnasium, sondern ans Camerloher wechselte, war ein ganz einfacher“, verriet von der Nahmer während der Proben. „Als ich das erste Mal über den Schulhof des Camerloher-Gymnasiums ging, kamen mir nur lachende Schüler entgegen. Ich dachte, mir das ist die richtige Schule für mich.“ Er habe dann während der zwei Jahre LK Musik Sebastian Brand sehr viel zu verdanken. „Sebastian Brand hat mich gefördert und er wusste, dass Ermutigung wichtiger ist als bloßes Lehren.“

Peter Michael von der Nahmer und Sebastian Brand planten schon seit vielen Jahren ein gemeinsames Projekt am Camerloher-Gymnasium. Heuer hat es geklappt. „Schade, dass meine Welturaufführung nicht öffentlich sein konnte“, bedauerte von der Nahmer, der mit der Umsetzung seines Stückes „Nia Wa Ja Shu – Be a Hero“ durch die Camerloher-Schüler mehr als zufrieden war. „Ich bin wahrscheinlich der erste Komponist, der sich in einem Stück mit dem Klimawandel beschäftigt. Von der Nahmer ist überzeugt, dass die Menschheit anders mit „der Mutter Erde“ umgehen müsse, sonst werde es Konsequenzen geben. Zu seiner Komposition „Nia Wa Ja Shu – Be a Hero“ sagt van der Nahmer: „Der Grundgedanke dieses Stückes war: Wir brauchen keine Helden mehr, die uns irgendwann vielleicht einmal retten können. Wir alle können selbst für unsere Zukunft einstehen und dabei mithelfen, diese zu gestalten. Wir alle können Helden sein.“

„Nia Wa Ja Shu – Be a Hero“ (Text von Tatiana Wechsler, Anita Prestidge und Marianna Mott Newirth) war das Schlussstück des Konzerts, eine Komposition einerseits sehr feinfühlig und zart in den Klängen, andererseits bombastisch, lautstark hämmernd durch mehrere Schlagwerker. Auf alle Fälle ein Stück das unter die Haut geht, Gänsehautfeeling verursacht, dem sich kein Zuhörer entziehen kann. Der große Schlussapplaus, den sich alle, eingeschlossen von der Nahmer, verdient hätten, fehlt natürlich. Schulleiterin Andrea Bliese bedankte sich nach dem „Geisterkonzert“ bei allen Beteiligten für das Durchhaltevermögen und vor allem auch dafür, dass sie das Konzert auch ohne Publikum auf die Bühne gebracht hätten.

Und was hätten die Zuschauer von den rund 300 Mitwirkenden der 9. bis 12. Jahrgangsstufe noch gehört? Mit „Angel in the Sky“ eine weitere Komposition von Peter Michael von der Nahmer. Das Blechbläserensemble hatte „Spirit of Brass“ von Enrique Crespo, „Three Dance Episodes“ von Edward Gregson und „Unter Donner und Blitz“ von Johann Strauss (Sohn) im Programm. Der Mittelstufenchor hatte „Sing we and chant it“ von Thomas Morley, „What a Wonderful World“ von George D. Weiss, der Oberstufenchor „Now ist the month of Maying“ von Thomas Morley, „Trag mi, Wind“ von Brigitte Hubmann/Christian Dreo und „Ballade of the Moon“ von Daniel Elder einstudiert.  Das Sinfonieorchester hatte das „Klarinettenkonzert f-Moll“ von Carl Maria von Weber und Antonin Dvoraks „Slawischer Tanz Nr. 1 C-Dur“ im Konzertgepäck. Die musikalische Leitung der einzelnen Ensembles lag in den Händen von Verena Egger, Birgit Brennich, Gunther Fendler, Till Neumann, Gunther Brennich und Sebastian Brand.

Die Verantwortlichen des Camerloher-Gymnasiums überlegen derzeit, ob und wann das Frühjahrskonzert eventuell doch nachgeholt werden kann. Das hängt vor allem davon ab, wie sich das Coronavirus weiterentwickelt. „Es gestaltet sich momentan eher schwierig, für alle Beteiligten einen passenden Ausweichtermin jetzt schon festzumachen“, sagte Schulleiterin Andrea Bliese. sp