Die Katholische Kirche sieht sich seit einiger Zeit Kritik ausgesetzt. Viele Themen werden seit Jahrzehnten von den Gläubigen heftig diskutiert, auch von Schülerinnen und Schülern eines Religionskurses am Camerloher-Gymnasium. Weihbischof Dr. Bernhard Haßlberger stellte sich am Montag während des Unterrichts den kritischen Fragen des Religionskurses.

Kritik an der Katholischen Kirche ist schnell geübt – viele Themen werden teilweise seit Jahrzehnten diskutiert, darunter vor allem Empfängnisverhütung, Frauenpriestertum, Kirchensteuer, Missbrauchsskandal, Pflichtzölibat. Der Q11-Kurs „Katholische Religionslehre“ des Camerloher-Gymnasiums, geleitet von Thomas Gottfried, beließ es aber im Rahmen des Themenbereichs „Religion in der offenen Gesellschaft“ nicht beim allgemeinen Lamento, sondern schrieb dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz und Erzbischof von München und Freising Kardinal Marx einen Brief; der Kurs fragte den kirchenpolitisch auch im Vatikan sehr einflussreichen Oberhirten darin unverblümt zum Thema „Verhütung“: „Ist es nicht Aufgabe der christlichen Kirche als Religion der Liebe, sich FÜR das Leben einzusetzen, anstatt an starren Lehren festzuhalten, die noch aus Zeiten stammen, da es die segensreichen Möglichkeiten der Empfängnisregelungen noch nicht gab?“. Der zweiseitige Brief griff viele heiß diskutierte kirchenpolitische und theologische Streitpunkte auf und mündete in den „Wunsch nach einer intensiven Diskussion“.

Trotz Weihnachtsferien verging nicht einmal ein Monat, bis das Antwortschreiben von Kardinal Marx den Kurs erreichte, flankiert von einem Telefonat seiner theologischen Referentin mit Schulleiterin Andrea Bliese. Der Kardinal ließ ausrichten, dass zwar der übervolle Terminkalender ein Treffen in absehbarer Zeit nicht zulasse, er aber sehr beeindruckt gewesen sei vom Engagement des Kurses; deshalb habe er Weihbischof Dr. Bernhard Haßlberger gebeten, zu einem Gespräch ins Camerloher-Gymnasium zu kommen, über das er sich dannpersönlich unterrichten lasse.

Für den Weihbischof der Region Nord, der in Freising wohnt, war es Heimspiel und Premiere zugleich: Gespräche mit Schulklassen führe er zwar öfter, aber am Camerloher sei er aus diesem Anlass noch nie gewesen, bekannte er eingangs. Bei einem zweiten Frühstück mit Kaffee, Butterbrezen und selbstgemachtem Kuchen waren die beiden Moderatoren Maria Ziegeltrum und Gabriel Brand für’s „warming up“ zuständig. So musste der sympathische Geistliche Sätze vollenden wie „Ich bin Priester geworden weil …“, „Mein Glaube hat sich besonders bestätigt, als …“ oder „Wenn ich Papst wäre, würde ich …“. Der Bischof nahm in Anwesenheit der Schulleiterin Andrea Bliese kein Blatt vor den Mund. Er erzählte von seiner eigenen Berufung, die er schon als Achtklässler verspürte, dass er in seiner Freizeit gerne liest, Ski fährt und wandert, und nicht zuletzt von besonderen Herausforderungen in seiner 42-jährigen Zeit als Priester und auch als Bischof. Es setze ihm besonders zu, wenn Konflikte in Gemeinden nicht lösbar scheinen, so der Weihbischof, und auch er selbst würde sich manchmal schnellere Veränderungen in der Kirche wünschen. Es gelang ihm, den jungen Leuten zu vermitteln, warum sich eine jahrtausendalte, alle Kontinente umgreifende Institution nicht so schnell weiterentwickeln könne, wie sich viele das wünschen. Die Kirche sei wie ein großer Tanker, der nur langsam seine Richtung ändern könne, ohne in‘s Schlingern zu geraten.

Der Weihbischof sieht durchaus Argumente, die für das Priestertum der Frau sprechen, und kann auch nachvollziehen, warum künstliche Empfängnisverhütungsmittel in bestimmtem Umfang z.B. zur Eindämmung von Geschlechtskrankheiten sinnvoll sein können. Haßlberger brachte zugleich die Schülerinnen und Schüler sehr zum Nachdenken, als er darauf hinwies, dass es keine einfachen Lösungen in diesen Fragen gebe. Er ermutigte jedoch die jungen Erwachsenen, sich weiter auch kritisch zu engagieren und mit Blick auf die bereits geschehenen Veränderungen gerade in den letzten Jahren und in der derzeitigen Diskussion etwa bei der Bewegung Maria 2.0 mit Optimismus in die Zukunft zu schauen.

Weihbischof wie Schüler dankten einander für die offene Gesprächsatmosphäre, und man war sich einig darin, dass sich Glaube und Kirche stets ändern müssten, wenn sie sich treu bleiben wollen. tg