"Mir wurde schnell klar, dass Priester nicht vom Himmel fallen. Die müssen auch irgendwo herkommen", erzählt Robert Seiler lachend. Der junge Mann berichtet, wie er zu diesem besonderen Beruf gekommen ist - wo er doch zuerst auf einem ganz anderen Weg war: Nach seinem Abitur 2011 kam er nach München, um Physik zu studieren. Als Mitglied in einem katholisch ausgerichteten Studentenverein kam er erstmals ins Gespräch mit anderen Theologie-Studenten. In seiner Familie spielte Kirche keine große Rolle, langsam wurde ihm aber bewusst, dass man dieses Fach wirklich studieren kann. Der Kontakt mit Menschen wurde Seiler über die Zeit wichtiger als naturwissenschaftliche Theorien: "Ich wollte nicht mein Leben lang am Schreibtisch sitzen." von Katharina Horban

Heute sitzt der Student mit seinem Kommilitonen Josef Schmid und dem stellvertretenden Leiter des Hauses, Benjamin Gnan, in der Aula des Priesterseminars und stellt sich den Fragen von 25 Schülern. Der Q11-Religionskurs von Thomas Gottfried vom Camerloher-Gymnasium Freising besucht das Erzbischöfliche Priesterseminar St. Johannes der Täufer in München. Die drei geben einen spannenden Einblick in ein Leben, das die wenigsten kennen.

Es ist ein heller, holzgetäfelter Raum, die Tische sind in einem großen Rechteck angeordnet. Die Jugendlichen hören neugierig zu, wie sich auch Schmid vorstellt. "Ich wusste nicht, was ich aus meinem Leben machen soll", erinnert sich der 25-Jährige. In seiner Gemeinde hatte er im Sommer manchmal als Mesner ausgeholfen, eines Tages fragte der Pfarrer ganz direkt: "Magst ned Pfarrer werden?" Eigentlich wollte Schmid Lehrer werden, beim Vorbereitungsjahr in Passau wusste er dann, dass es die richtige Entscheidung war: "Das hat mir innere Freude gegeben." Die Priesterausbildung dauert in der Regel sechs Jahre vom Abitur bis zum Ende des Studiums und zwei weitere Jahre im Pastoralkurs bis zur Priesterweihe. Die LMU übernimmt die theologische Bildung der Studenten, das Priesterseminar ist für die anderen Bereiche zuständig.

Beim Rundgang durch das Haus zeigt Gnan den Schülern die Zimmer der Priesterkandidaten. In den 1980er Jahren wurde das Haus für knapp 80 Seminaristen konzipiert, derzeit wohnen 18 Seminaristen und zwei Männer im Berufsorientierungsjahr dort. "Genug Platz haben wir auf jeden Fall und treten uns so auch nicht auf die Füße", nehmen es die beiden Studenten mit Humor. Die Gruppe erreicht den Kreuzgang, über den Gnan sagt: "Hier haben wir im Sommer auch schon einige Fußballspiele angeschaut. Das war jedes Mal ein Riesenspaß". Er bemüht sich, den Jugendlichen die Vorstellung zu nehmen, es handele sich bei den Priesteranwärtern um einen Haufen schrulliger und einsamer Männer. Seiler und Schmid betonen, wie wichtig ein Leben außerhalb des Priesterseminars ist: "Es ist nicht gut, wenn man nur hier Freunde hat. Manchmal möchte man einfach aus diesem Trott rauskommen und nicht über Religion reden." Ein Abend unter Freunden, wo der Glaube, der sie sonst immer begleitet, keine Rolle spielt, ist ein wichtiger Ausgleich.

"Es wird niemand Priester, nur weil man einen bestimmten Flyer gesehen hat", macht Gnan deutlich. Das Priesterseminar wirbt trotzdem für neue Studenten: Einmal im Jahr gibt es etwa ein Interessenten-Wochenende zum Mitleben im Haus. Die beiden jungen Männer erzählen, dass ihnen bei Werbeaktionen neben viel Zuspruch einerseits auch komplette Ablehnung entgegengekommen ist. Gnan sagt: "Oft ist es so, dass die Eltern den Mangel an Priestern beklagen. Wenn das eigene Kind aber diesen Weg gehen will, ist das erst mal schwer zu verstehen."

Ein Beruf, der seit Jahrhunderten existiert, bietet auf den ersten Blick nicht viel Veränderung. Was treibt junge Männer an, sich solch einer lebenslangen Aufgabe zu widmen? "Ich möchte später Priester werden, weil ich den Leuten das zurückgeben möchte, was ich empfangen habe", ist sich Schmid sicher. Für beide Priesterkandidaten scheint es eher eine Berufung zu sein, die aber auch Raum für Neues bietet. "Wir zwei überlegen mit anderen Seminaristen später in einer vita communis zu leben, also in einer Priester-WG", berichtet der Student. So lebt man nicht allein, obwohl man sich in diesem Beruf gegen die Ehe entscheiden muss.

Das Zölibat, die Ehelosigkeit aus religiösen Gründen, führt oft zu Unverständnis und Ablehnung gegenüber der Kirche. Der stellvertretende Leiter des Priesterseminars ist es leid, wenn Leute ihn wegen seiner Lebensform bemitleiden: "Ich will kein Mitleid für eine Entscheidung, die ich freiwillig getroffen habe." So sei es entscheidend, dass man weiß, in welcher Spur man gehen möchte: Ehe oder Ehelosigkeit. "Auch eine Partnerschaft ist ein Projekt, das Höhen und Tiefen kennt." Dann stellt ein Schüler die typische Frage, was denn mit einem Priester passiere, der sich verliebt. Die routinierte Antwort macht deutlich, wie oft schon über dieses Thema diskutiert wurde: "Natürlich kommt es vor, dass jemand aufhört wegen einer Beziehung. Aber so wie ein getaufter Mensch, selbst wenn er aus der Kirche austritt, seine Taufwürde niemals verlieren kann, bleibt auch die besondere Prägung der Seele bei einem geweihten Priester erhalten, obwohl man den Beruf in der ursprünglichen Form nicht mehr ausüben kann." Ein Priester könne sich immer verlieben, mit der Priesterweihe werden nicht alle Gefühle zu Liebe und Sexualität abgestellt. Einige Kandidaten haben vor ihrem Start ins Priesterleben jahrelange Beziehungen hinter sich und müssen sich klarmachen, ob sie zölibatär leben können. Neben Altgriechisch, Stimmbildung und Liturgie steht etwa auch ein Kurs zum Zölibat auf dem Lehrplan. So ist diese Lebensform vielleicht einer der Gründe dafür, wie die Reaktionen ausfielen, als Seiler den Berufswunsch vor seiner Familie geäußert hat. "Ich wurde für verrückt erklärt." Die Unterstützung kam dann aber schnell: Als sein Bruder mit seiner Frau das erste Kind bekommen hat, half das seinen Eltern, darüber hinwegzukommen, dass Seiler keine Kinder haben wird. Oma und Opa sind sie so auch. Katharina Horban

Bildunterschriften

Foto 1: Robert Seiler (Priesteramtskandidat), Subregens Benjamin Gnad, Josef Schmid (Priesteramtskandidat) (von links; Foto: Priesterseminar St. Johannes der Täufer, München)

Foto 2: Robert Seiler, Josef Schmid (beide Priesteramtskandidaten); Subregens Benjamin Gnad (von links; Foto: Priesterseminar St. Johannes der Täufer, München)