Dies war eine der Kernaussagen von Pedro H. und Angelika L., die am 24. Januar einen Vortrag für die Q12 mit anschließender Diskussion hielten. Der Vortrag drehte sich rund um den Strafvollzug, die Motive eines Täters, aber auch die sogenannte Resozialisierung, die der deutsche Staat bei Gefangenen anstrebt. Angelika und Pedro sind beide Mitglieder des Set Free e.V., der sich um Gefangene vor allem im geschlossenen Vollzug kümmert und ihnen ein Stück Gesellschaft in das Gefängnis bringt.

Im ersten Teil thematisierten beide die Hintergründe der Straffälligen, die auch in Deutschland zu einem Großteil aus niederen sozialen Kreisen kommen und in ihrer Kindheit, oft von den Eltern, emotionalen oder körperlichen Missbrauch erfahren haben. Um diese traumatischen Belastungen zu kompensieren, werden sie oft selbst gewalttätig und geraten früher oder später in Kontakt mit der Polizei.

Anschließend erzählte Pedro von seinen Gefängniserfahrungen: Anders als die meisten führte er bis zu seiner Haft ein gutes Leben, war Beamter und hatte eine glückliche Familie, bis sich sein Leben um 180° drehte. Allein zwei Jahre saß er in Untersuchungshaft, während der er mit keinem Verwandten über das reden konnte, was diese hören wollten und seine Beziehungen schließlich geschädigt wurden. Doch der Freiheitsentzug war für ihn nicht das schlimmste, sondern der Werteverlust, den er erlitt. Er konnte sich nur Fragen stellen und keine Antworten und das ohne jeden Zugang zur Gesellschaft. Bis er sich während seiner Haft in einer JVA in München an die katholische Seelsorge wandte. In Gesprächsgruppen konnte er freier über seine Probleme reden und somit seine Introvertiertheit größtenteils überwinden. Als er Angelika dort kennenlernte, gründeten sie gemeinsam das Set Free Netzwerk für Gefangene. Sie orientierten sich hierbei stark am brasilianischen APAC – Projekt, einem sehr offenen Vollzug, in dem den Gefangenen sehr viel Verantwortung übertragen wird. Ihr Hauptkritikpunkt am deutschen Strafvollzugssystem liegt darin, dass die Rückfallquote so hoch ist, während beim APAC – Projekt positive Zahlen die Antwort sind.

Aber ein besonderer Appell ging an die gesamte Gesellschaft, die einen ehemaligen Häftling ächtet und ihm keine Chance gibt, sich zu reintegrieren.

Das Opfer braucht oftmals keine Rache für die Tat, sondern nur eine Wiedergutmachung, wie ein Täter auch, der Therapie für seine Beweggründe und seine versteckten Verletzungen benötigt.

Dem aufschlussreichen Vortrag folgten gute Resonanz und eine spannende Diskussionsrunde. Die Q12 sowie die anwesenden Lehrkräfte bedankten sich sehr bei Pedro und Angelika für ihren Besuch und die nachhaltige Wirkung, die sie auf das Denken verursachten.

Ferdinand Ernst, Q12