Ein Projektseminar des Camerloher-Gymnasiums zeigt selbstgedrehte Dokumentarfilme in der Münchner Hochschule für Film und Fernsehen.

Wenn man nicht mehr weiß, was wirklich ist und was „Fake“, hilft nur eins: Raus aus dem Sofa und sich selbst ein Bild davon machen, was da draußen läuft. Dieser Herausforderung stellten sich die 14 Teilnehmer des Projektseminars „Dokumentarfilm“ am Camerloher-Gymnasium Freising. Unterstützt wurden sie bei ihrem Abenteuertrip in die Wirklichkeit von ihrem Lehrer Gerhard Schebler und Maya Reichert. Die Dokumentarfilmerin lehrt an der Hochschule für Film und Fernsehen und leitet DOK.education, das Nachwuchsprogramm des renommierten Dokumentarfilmfests München. Die ergebnisoffene Auseinandersetzung mit der Gegenwart anderer Menschen ist es, was den Dokumentarfilm etwa im Vergleich mit der Reportage auszeichnet. Wie fesselnd ein solcher Film auch ohne Schauspieler und Spezialeffekte sein kann, entdeckten die Schüler während der großen Eröffnungsgala des Filmfestes, zu der sie eingeladen waren. Der Eröffnungsfilm „Dream Empire“ erzählte vom absurden Leben westlicher Auswanderer in China, die von Immobilienfirmen als Entertainer angestellt werden, um ihren Verkaufsveranstaltungen einen weltmännischen Anstrich zu geben. Wichtige Impulse vermittelte auch der Kontakt mit der jungen Regisseurin Veronika Hafner, die ihren Film „Alter“ im Münchner Gasteig zeigte und das P-Seminar hinter die Kulissen blicken ließ. Es war beeindruckend, wie sie es zusammen mit ihrer Coregisseurin Nancy Camaldo schaffte, hundert Menschen im Alter von Eins bis Hundert in ihrem kurzweiligen Film auftreten und über das Alter sprechen zu lassen.

Angeregt von diesen und weiteren außergewöhnlichen Filmbeispielen machten sich die Seminarteilnehmer nun selbst auf die Suche nach Protagonisten und Geschichten, die erzählt werden wollen. Das ist nicht so einfach, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Man lernt in der Schule viel über Menschen, aber nicht unbedingt, auf sie zuzugehen und ihr Vertrauen zu gewinnen. Wenn es aber gelingt, ist es eine besonders prägende Erfahrung - gerade auch für Jugendliche. Die Auseinandersetzung mit anderen Lebenskonzepten und Berufsbildern ist ein wichtiges Ziel des P-Seminars in der gymnasialen Oberstufe. Neben der Berufs- und Studienorientierung erlernen die Schüler die Projektarbeit, die in Wirtschaft und Hochschule die prägende Arbeitsform ist. Dazu gehört es, dass sie sich selbst Ziele setzen, zu Gruppen finden, einen Zeit- und Finanzplan entwickeln und die Ergebnisse präsentieren. Maya Reichert als Auftraggeberin vermittelte sehr kompetent, welche Phasen der Projektarbeit in der Filmbranche üblich sind. So schrieben die Schüler vor dem eigentlichen Dreh ein Treatment zu ihrem Film, in dem sie alle weiteren Schritte genau planten. Nun mussten sich die sechs Teams noch in den Umgang mit Kamera und Ton einarbeiten. Professionelle Unterstützung erhielten sie dabei von Lisa Reich, einer ehemaligen Camerloher-Schülerin, die derzeit Regie an der HFF München studiert. Dann konnte es losgehen mit den Dreharbeiten, die sich insgesamt über ein dreiviertel Jahr hinzogen. Es gab viele Hürden zu überwinden wie verschwundene Speichermedien, Überbelichtungen und Tonstörungen. Die größte war aber der Schnitt, der sehr viel mehr Zeit in Anspruch nahm als die Teams erwartet hatten.

Pünktlich zum neuen Jahr können die Teilnehmer des P-Seminars nun sieben gelungene Dokumentarfilme im Kino der Hochschule für Film- und Fernsehen präsentieren. In ihnen begleiten sie eine junge Freisinger Feuerwehrfrau, vermitteln Einblicke in die rätselhafte Welt eines Ladens für Brett- und Tabletop-Spiele und thematisieren den unsicheren Status eines Praktikanten beim Film. Berührend ist der Film über einen sehbehinderten Masseur, der mitten im Trubel des Hofbräuhauses mit seiner Volksmusikgruppe zur inneren Ruhe findet. Ein Team dokumentiert das unstete Leben einer Echinger Jugendleiterin bei der Wasserwacht, die zeitgleich in Nordbayern studiert, ein anders eine junge Cellistin des bayerischen Landesjugendorchesters. Fesselnd sind auch die Filme über die Herausforderungen einer achtfachen Mutter und einen Mann, der in einem kleinen Dorf die Titanic und Schloss Neuschwanstein nachgebaut hat und nun, nach der Kündigung des Mietvertrags, dem Verfall seiner Träume zusehen muss.

Stolz präsentierten die Schüler ihre Filme auf der großen Leinwand einem kundigen Publikum. In der anschließenden Diskussion sprach Maya Reichert ihr Bewunderung aus, wie viele und qualitativ gelungene Filme trotz des schulischen Drucks entstanden sind. Für alle, die nicht dabei sein konnten bietet der Blog des P-Seminars eine kleine Rückschau auf das gelungene Projekt: https://www.dokfest-muenchen.de/Filmklasse_Blog Gerhard Schebler