Am 17. Januar 2025 prägte ein außergewöhnliches Ereignis den Schulalltag am Camerloher. Die Generalkonsulin von Israel, Talya Lador-Fresher, besuchte das Camerloher-Gymnasium. In der Bibliothek versammelten sich Schülerinnen und Schüler der 12. Jahrgangsstufe (G8 und G9) zu einer fast zweistündigen Gesprächsrunde.
Bevor es losgehen konnte, waren die beeindruckenden Sicherheitsvorkehrungen zu durchlaufen, die nach dem versuchten Attentat auf das Konsulat in München und angesichts der Konflikte im Nahen Osten deutlich verschärft worden sind: Vorab mussten alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer namentlich gemeldet sein. Vor dem Betreten der Bibliothek dann mussten sie entweder von den anwesenden Lehrkräften identifiziert werden oder ihren Personalausweis vorlegen. Das Procedere verlief routiniert und zügig, und so konnte das Programm pünktlich beginnen.
Frau Lador-Fresher stellte sich zunächst persönlich vor: Als Kind deutschstämmiger Eltern in Israel aufgewachsen, hat sie einen Teil ihrer Schulzeit an einer internationalen Schule in Bonn verbracht, bevor sie nach ihrem zweijährigen Pflichtdienst in der israelischen Armee ein einschlägiges Studium begann und sich dann in den diplomatischen Dienst begab. Es folgten viele Stationen als Konsulin, Vize-Botschafterin und Botschafterin u.a. in Jamaica, London, Paris und Wien. Immer wieder hat sie auch im israelischen Außenministerium gearbeitet, wo sie zuletzt als Chefin des Stabes hochrangige Staatsgäste wie Barack Obama oder Papst Franziskus während ihres Aufenthalts begleitete.
Seit 2023 ist sie Generalkonsulin in Deutschland mit Sitz in München. Sie ist in dieser Funktion für fünf Bundesländer im südlichen Teil des Landes zuständig: Bayern, Baden-Württemberg, das Saarland, Hessen und Rheinland-Pfalz.
Nach dieser kurzen Vorstellung, die mit einer etwas detaillierteren Darstellung der Aufgaben einer Konsulin endete, ging Frau Lador-Fresher sofort mit den jungen Leuten ins Gespräch und gab Raum für Fragen aller Art.
In einer lebhaften Diskussion ging es dann eineinhalb Stunden lang um viele verschiedene Fragen und Themen, die sämtlich von den Schülerinnen und Schülern eingebracht wurden. Fragen nach dem Land Israel und seinen Bewohnern und zur aktuellen politischen Situation im Nahen Osten fanden dabei ebenso Raum wie Fragen nach der persönlichen Karriere und der Entscheidung für den diplomatischen Dienst und die Arbeitsbedingungen einer israelischen Diplomatin in Deutschland. Sehr offen wurde die Frage nach Anfeindungen beantwortet. Frau Lador-Fresher erklärte dazu, sie mache ihren Dienst sehr gerne und begegne gerne Menschen. Dafür müsse man Anfeindungen und Gefährdungen in Kauf nehmen und lernen, mit einem 24/7-Personenschutz zu leben. Sie beeindruckte mit ihrem sehr persönlichen und stolzen Bekenntnis zum Staat Israel und zum Judentum und verband dies mit einer Erläuterung der großen Bedeutung der Existenz des Landes für das Judentum weltweit.
Auch beeindruckend, weil wenig bekannt, war die Schilderung der Lebenswirklichkeit in Israel jenseits der von den Medien vielfach aufgegriffenen politischen und militärischen Situation. Israel ist eine Start-Up-Nation mit florierender Wirtschaft und zeichnet sich als einziger demokratischer Staat im Nahen Osten durch eine sehr pluralistische Gesellschaft aus, für die vielfache Beispiele gegeben wurden. Frau Lador-Fresher ging dabei auch auf die besondere Situation der ultraorthodoxen Bevölkerung sowie die Lebensbedingungen und politischen Einstellungen der jungen Israelis ein.
Auf die Frage eines Schülers, ob in Deutschland die Erinnerungskultur im Vergleich zu aktuellen Fragen zu ausgeprägt betrieben werde, antwortete sie ausführlich. Sie machte dabei deutlich, dass diese Frage zunächst losgelöst von der Frage der jüdischen Geschichte gesehen werden müsse. Jeder Mensch brauche vertiefte Kenntnis seiner Wurzeln und der seines Landes, um offen und verantwortlich in die Zukunft zu gehen. Die Frage sei, ganz im Sinne von Theodor Adorno: Was macht dich zu einem mündigen Bürger? Dazu gehöre unbedingt die Kenntnis der Geschichte und eine angemessene Erinnerungskultur.
Schülerinnen und Schüler wie Lehrkräfte erlebten in diesem intensiven Gespräch eine äußerst zugewandte, pragmatische und lebhafte Generalkonsulin, die auf die Anliegen der Schülerinnen und Schüler hörte und erkennbar sehr nah an den Jugendlichen sein wollte. Sie fragte oftmals zurück, stellte Vergleiche mit der Situation deutscher Jugendlicher an und wich auch nicht den kritischeren Fragen aus. Besonders an der sehr differenzierten Darstellung der Situation in Gaza mit vielen sachlichen Informationen zeigte sich die enorme diplomatische Erfahrung von Frau Lador-Fresher. Die Diskussion war so angeregt, dass am Ende von allen Beteiligten eine kleine Überziehung des Zeitfensters in Kauf genommen wurde.
In Erinnerung wird allen, die dabei waren, die klare Aussage bleiben, dass es Frieden, gleich in welcher Situation, zwischen Menschen und Völkern nur geben kann, wenn gegenseitiger Respekt und gegenseitige Anerkennung bestehen. Ein nur auf diplomatischer Ebene ausgehandelter Frieden ohne Anerkennung der anderen Seite kann hingegen keinen dauerhaften Bestand haben. Frau Lador-Fresher führte als einen äußerst gelungenen Weg zu Frieden und Miteinander die Entwicklung zwischen Israel und Deutschland nach Ende des Zweiten Weltkrieges an.
Sie ermunterte am Ende ihrer Darstellungen die jungen Menschen nachdrücklich, das Land Israel zu bereisen und sich selbst ein Bild über die Vielfalt und Schönheit des Landes zu machen. Deutlich beeindruckt zeigte sie sich beim Verlassen der Schule über den guten Informationsstand unserer Schülerinnen und Schüler sowie über deren Diskussionsfähigkeit, gerade auch bei strittigen Fragen.
Für alle Beteiligten war es ein äußerst gewinnbringender Vormittag, der uns lange in Erinnerung bleiben wird! Herzlichen Dank für das Kommen, die Zeit und das Engagement an alle Mitarbeitenden des Generalkonsulats und besonders Frau Lador-Fresher!
Andrea Bliese