Obwohl sie erst 29 Jahre alt ist, hat sich Ronya Othmann in der deutschen Literaturszene bereits einen Namen gemacht. Im Rahmen des 40. Literarischen Herbstes des Kulturvereins modern studio freising las sie im Café Camerloher aus ihrem Roman „Die Sommer“ und dem Gedichtband „die verbrechen“. Für Ronya Othmann war die Lesung im voll besetzten Café Camerloher ein Heimspiel.

Aufgewachsen im Landkreis Freising, Tochter eines kurdisch-jesidischen Vaters und einer deutschen Mutter, absolvierte sie 2012 ihr Abitur am Camerloher-Gymnasium. Das „Hallo“ war deshalb für sie groß vor der Lesung. „Ich bin das erste Mal wieder hier an meiner Schule“, strahlte Othmann, die sich sichtlich auf das Wiedersehen mit ehemaligen Lehrkräften und Mitschülern freute.

Dass Ronya Othmann mittlerweile zahlreiche Auszeichnungen (vor kurzem den Horst-Bienek-Preis für Lyrik der Bayerischen Akademie der Schönen Künste) erhalten hat, wundert ihre ehemalige Deutschlehrerin Veronika Eckl nicht: „Sie ist immer mit einem Buch in der Hand durchs Schulhaus gelaufen. Und im Wahlunterricht Kreatives Schreiben war sie in der Lage, innerhalb einer halben Stunde einen perfekten Text zu verfassen.“ Ihr Berufswunsch damals stand fest: „Ich will schreiben.“ Und das macht sie seit zehn Jahren ganz hervorragend. Davon konnten sich die Zuhörer im Café Camerloher überzeugen. Binnen weniger Sekunden hat Ronya Othmann das Publikum in ihren Bann gezogen. Aufmerksame Leser erkennen im Roman „Die Sommer“ einige Parallelen zwischen der Protagonistin Leyla und Ronya Othmann und auch einige Schauplätze erinnern an den Landkreis Freising und an ihre Schulzeit am Camerloher. Im Mittelpunkt ihres Romans und in den Gedichten aus dem Lyrikband „die verbrechen“ stehen die Konfliktregionen und die Probleme der Menschen in Kurdistan, in Syrien oder im Irak.

Dazu hat Ronya Othmann in den letzten Jahren zahlreiche Recherchereisen in diese Regionen unternommen und ist damit zu einer gefragten Expertin auf diesem Gebiet geworden. Die Zuhörer im Café Camerloher waren neugierig, dazu mehr zu erfahren. Und Ronya Othmann plauderte vergnügt aus dem Nähkästchen. Es sind unglaubliche Geschichten, die einen wundern lassen, dass diese mutige und unerschrockene junge Schriftstellerin nicht in einem der gefürchteten Gefängnisse im Irak oder in Syrien gelandet ist. Aufgrund ihrer öffentlichen Kritik an Erdogan, wagt sie eine Einreise in die Türkei nicht mehr. „Ja, ich war da manchmal schon naiv“, räumte Othmann ein. Aber sie werde auch künftige vor Ort recherchieren und mit den Menschen dort sprechen. An ihrem nächsten Roman arbeitet sie schon intensiv. Der wird sich mit dem Genozid an den Jesiden und Armeniern beschäftigen.

Vielen Dank an den Kulturverein „modern studio freising“ und natürlich an Ronya Othmann für die beeindruckende Lesung.

Peter Spanrad