Die Aula des Camerloher-Gymnasiums verwandelte sich am Donnerstag, den 27. September in einen Kinosaal, als die Schüler_innen des Förderseminars takeoff ihre vielfältigen, im letzten Schuljahr entstandenen Dokumentarfilme präsentierten. Einführend machte Evelyn Buchberger im Interview mit Moderator Gerhard Schebler deutlich, dass nicht alles, was man so gemeinhin unter Dokumentation versteht wirklich als Dokumentarfilm gelten kann.

Die besondere Herausforderung eines Dokumentarfilms besteht darin gesammelte Bilder und Äußerungen eines Protagonisten so zusammenzufügen, dass diese sich gewissermaßen selbst erzählen – ohne Kommentare aus dem Off. Kennengelernt haben die Schüler_innen diese besondere Gattung des Films auf den renommierten Dokumentarfilmfesten in Leipzig und München. Dort warben sie auch den jungen Regisseur Tuna Kaptan an, der ihre eigenen Filmprojekte begleitete und wertvolle Anregungen vermitteln konnte. Evelyn Buchberger berichtete anschaulich davon, wie die insgesamt sechs Filmteams die erste große Hürde der Protagonistensuche gemeistert haben. Nach gründlicher Recherche fand man zwar Personen, die einen zu einer filmischen Auseinandersetzung reizten, doch es war nicht immer einfach, ihnen die Scheu vor der Kamera zu nehmen. Auch wenn die Teams bisweilen kurzfristig neue Protagonisten finden mussten, gelang es ihnen ausgezeichnet, so viel Vertrauen aufzubauen, dass diese ihnen einen sehr intimen Blick in ihr Leben gewährten. Ist schon diese Herstellung eines Vertrauensverhältnisses in vorbereitenden Treffen neben dem eng getakteten Schulalltag eine besondere Leistung, so kommen dann noch die großen Herausforderungen dazu, mit professionellem Kamera- und Tonequipment umzugehen und den Film am Computer so zu schneiden, dass man seiner Verantwortung gegenüber dem Protagonisten gerecht wird. Besonders der Schnitt verschlang enorm viel Zeit und so wurden die letzten Filme erst mit Beginn dieses Schuljahrs fertig.

Den Auftakt des Screenings machte der Film „Sambesi“ von Anton Biller, Riccardo Gammel und Maxim Rahimpour. Vorgestellt wird der Direktor des oberpfälzischen Zirkus „Sambesi“, der von einer Gruppe Idealisten gegründet wurde, um die Arbeit der Stiftung „Menschen für Menschen“ zu unterstützen, die von dem Schauspieler Karl-Heinz Böhm nach einer verlorenen Wette bei einer Fernseh-Show gegründet wurde und seit Jahrzehnten Bedürftige in Äthiopien unterstützt. Von den Einnahmen des Zirkus wurden bereits zwei Schulen in dem afrikanischen Land errichtet. In sehr gut komponierten Bildern wird die Magie des Zirkus ebenso erfahrbar wie die besondere Begeisterung der Artisten für die gute Sache.

Der Film „Pepito Amunu“ stellt einfühlsam den gleichnamigen Freisinger Künstler und Kulturpreisträger vor, der vor vielen Jahren aus Togo geflüchtet ist und in Freising eine neue Heimat gefunden hat. Den jungen Filmemacherinnen Rebecca Fischer, Susanna Horban, Isabelle Sohling und Ines Zehetmeier gelingt es, das Freisinger Publikum ihre Stadt mit den Augen eines aus einen anderen Kulturkreis zugewanderten Menschen sehen zu lassen. Die Erzählungen verweben sich mit den auf Streifzügen am Schafhof und in der Stadt aufgenommenen Bildern zu einer eindringlichen Atmosphäre.

Für eine vergleichbare Thematik finden Leonhard Betz, Paul Garreis und Niklas Wörner eine ganz andere filmische Lösung. Der Protagonist ihres Films „Indian Summer“ ist ein von Indien nach Freising versetzter Priester, der die Gemeinde von Neustift betreut. Sehr anschaulich wird gezeigt, wie trotz aller Vertrautheit mit dem neuen Umfeld die Sehnsucht nach der alten Heimat und den Eltern immer wieder aufkommt und den Priester an seiner Berufsentscheidung und dem Gang in die Ferne zweifeln lässt. Die ruhigen, von Selbstzweifeln geprägten Sequenzen im Pfarrhaus werden immer wieder von Szenen aus dem Gottesdienst mit lautem Gesang unterbrochen, die einerseits die Unerbittlichkeit der beruflichen Anforderungen, andererseits aber auch die Getragenheit durch eine Berufung vermitteln.

Auch der Film „Im Feld“ von Amelie Daude, Hannes Rühl, Julia Reitmeyer und Mariella Weichinger zeigt einen Menschen, der einer Berufung gefolgt ist. Der Leiter der Freisinger Tafel schlägt in den ruhigen, eingängigen Interviews einen Bogen von seiner Nachkriegskindheit auf dem Land, die durch ein Teilen von Haus und Nahrung mit Flüchtlingen geprägt war, zu den aktuellen Herausforderung durch wachsende Armut und die Integration vieler Geflüchteter. Auch durch die sensibel gewählten Schnittbilder macht das Filmteam deutlich, dass die Sehnsucht nach einer vermeintlich heilen Vergangenheit allzu oft der Versuch ist, aus dem Feld zu fliehen, dessen Bestellung einen zu überfordern droht.

Wie schwer, aber auch beglückend es sein kann Verantwortung für andere zu übernehmen, zeigt auch der Film „Die lieben ihre Eltern trotzdem“ von Emily Beeck, Molly Niedermeier und Franka Toma. Ein mehrfache Pflegemutter berichtet auf ergreifende Weise von den schlimmen Verhältnissen, aus denen die Kinder zu ihr kamen, aber auch davon, wie die neue Familie trotz aller Widrigkeiten immer wieder neu zusammengewachsen ist. In äußerst sensiblen und professionell geschnittenen Bildern erzählt das Filmteam von der Stille, die eintritt, wenn das große Ziel erreicht wurde, die aus einer schrecklichen Welt geflüchteten Pflegekinder in ihre eigene glücklichere Welt zu entlassen.

Den gelungenen Abend rundete der Film „Dworsky“ von Isabel Berg und Evelyn Buchberger ab. In frech geschnittenen Bildern wird der Freisinger Aktionskünstler Alexis Dworsky vorgestellt, der heroische Denkmäler mit Physiotapes ironisiert oder mit Google Street View um die Welt reist. Durch spontane Interviews in Aktion gelingt es den Filmemacherinnen das faszinierende Spiel der Inszenierungen mitzuspielen und doch auch mit einem Augenzwinkern zu erden.

Das Publikum zeigte sich beeindruckt, wie intensiv und ernsthaft sich die teils sehr jungen Filmemacher_innen mit dem Leben anderer Menschen auseinandergesetzt haben. Es war begeisternd mitzuerleben, wie viel Lust es bereiten kann, sich selbst ein Bild von etwas zu machen - jenseits schulischer Pflichterfüllung, aber auch jenseits von flachen Chats und schnellem Geknipse.

Gerhard Schebler