Im Wahlkurs Möbelbau haben sich Schülerinnen und Schüler der Unterstufe daran gewagt, ein Möbelstück aus Massivholz nach eigenen Entwürfen herzustellen. Der aufwendige Produktionsprozess der sehr ausgefallenen Schränke mit Geheimtüren und expressiver Bemalung ließen für die jungen Schreinerinnen erfahrbar werden, wie sehr sich ein Möbel als Konsumgegenstand von einem Möbel als Kunstgegenstand mit Eigenwert unterscheidet.

Zwischen Neufahrn und Eching brennt die Sonne aufs Autodach. Auf der Suche nach dem individuellen Möbelstück bist du dreimal mit den Horden im Kreis gelaufen, hast viel Unnützes für sehr viel Geld erworben und dir Elchfleisch mit Trockenzwiebeln einverleibt.

Endlich der Duz-Hölle entkommen schlitzt du zu Hause schwungvoll das Päckchen auf und versehentlich auch die Schranktüre von KLÅPZAMEN. Du versuchst Dich in Hieroglyphenlesen, fluchst und zeterst, aber kapierst es einfach nicht. Erst mit Hilfe des eigentlich völlig unnötigen Hammers zwingst du den Schrank doch noch in die abgebildete Form. Nur passt die verdammte Schublade jetzt nicht mehr. Also alles auf Anfang: Schrank zerlegen! Ach, wären jetzt nur nicht die Steckteile ausgeleiert und die Schrauben verbogen. Aber keine Panik: Deine Nachbarn haben ja auch alle KLÅPZAMEN im Wohnzimmer stehen. Wenn du sie ganz nett duzt, friemeln sie gerne mal mit dir gemeinsam rum.

Man kann sich aber auch im Wahlkurs Möbelbau am Camerloher anmelden – zumindest wenn man in der Unterstufe ist und keine Herausforderungen scheut. Zwei mutige Reckinnen und sechs Recken haben das Abenteuer gewagt. Zunächst ging es in den finsteren Wald hinter der Plantage, wo wir die verschiedenen Bäume, ihre Blattformen und die jeweilige Holzbeschaffenheit kennenlernten. Für die Meister des Baumprotokolls natürlich nur eine Aufwärmübung. Dann wartete eine größere Herausforderung auf uns: das Planen der Möbel. Man hat ja so seine Vorstellungen, aber nicht unbedingt das räumliche Vorstellungsvermögen und die nötigen Kenntnisse im perspektivischen Zeichnen, um diese auf Papier zu bringen. Zu Hilfe kam uns das 3-D-Programm SketchUp, mit dessen Hilfe wir die Möbel maßstabsgetreu entwerfen und aus allen Ansichten inspizieren konnten. Entstehen sollten neben einem coolen Wandregal sieben raffinierte Schränkchen mit Schubladen, Türen und Geheimfächern.

Die Köpfe rauchten gewaltig, als es darum ging, nach dem Computermodell eine Stückliste mit den richtigen Maßen zu erstellen und die voraussichtlichen Kosten zu errechnen. Die Zurichtung des Holzes übernahm dann glücklicherweise die Firma Scholbeck, so dass wir die Teile bereits in der richtigen Größe verwenden konnten.

Bei den Profis wird freilich nicht gesteckt und geschraubt, sondern ordentlich gezinkt. Es ist gar nicht so leicht, diese Jahrhunderte alte Technik zu erlernen, bei der eine verschränkte Verbindung zwischen den Teilen geschaffen wird, die sehr stabil ist. Woche für Woche wurde angezeichnet, auf Linie gesägt und mit dem Stechbeitel vorsichtig gestemmt. Eine besondere Herausforderung war das Zusammenleimen der Schränkchen, das sehr schnell gehen muss – ohne dass man den rechten Winkel aus den Augen verlieren darf. Den größten Schrank mussten wir sogar gegen die Decke des Werkraums keilen, weil die Zwingen zu kurz waren. Doch die Mühen lohnten sich, denn als die Zwingen abgenommen waren, konnte man sich schon ausmalen, wie sich der Schrank zu Hause im Zimmer machen würde. Die entstandenen Lücken und Dellen konnten glücklicherweise durch eine Spachtelmasse und beständiges Schleifen ausgebessert werden. Nur der Werkraum war durch den Schleifstaub bald so vernebelt, dass Frau Radlmeier vom Landratsamt uns erst mal den Stecker zog, um einen Feueralarm inklusive teurem Feuerwehreinsatz zu vermeiden. Geschliffen wurde von nun an im Freien, was bei Sonnenschein auch angenehmer ist. Es kostete noch einmal Nerven, die Schubladen zu zinken, aber trotz Durchhängern kamen letztlich alle Abenteurer ans Ziel. Jetzt mussten nur noch die Scharniere, Schlösser und Türen montiert und die Schränke gestrichen werden. So standen wir dann wenigstens zu Schuljahresende stolz wie Oskar vor unseren Schränkchen, wenngleich der Wahlkurs eigentlich schon zum Halbjahr zu Ende gewesen wäre. Doch wie sagt der alte Schreinerspruch: „Gut Ding will Weile haben.“

Den Schrankmeistern des Wahlkurses Möbelbau macht jetzt so schnell keiner mehr etwas vor. Und falls ein netter Nachbar klingelt, weil er seinen KLÅPZAMEN völlig verpfuscht hat, können sie milde lächelnd mit gekonnter Hand helfen – aber nur, wenn er den nötigen Respekt vor der Meisterschaft hat und sie nicht blöde duzt.

Gerhard Schebler