Der Literarische Herbst, organisiert vom modern studio freising, machte auch in diesem Jahr wieder Station im Café Camerloher. Zu Gast war am Donnerstagabend (17.11.2016) Marjana Gaponenko. Sie las aus ihrem jüngsten Roman „Das letzte Rennen“.

Es wurde im voll besetzten Café Camerloher sofort still, als Marjana Gaponenko, ungemein sympathisch, jung, attraktiv, lange dunkle und gelockte Haare, dezent modisch gekleidet , die kleine Bühne betritt. Sie wirkte im ersten Moment ein klein wenig verunsichert. Lag’s daran, dass so viele Interessierte gekommen waren? „Normalerweise sind bei meinen Lesungen nicht so viele Menschen. Ich bin baff“, sagte sie nach der Lesung. Oder verunsicherte sie der Umstand, dass Menschen aller Altersstufen gekommen waren: vom Oberstufenschüler bis zum Rentner. Mit Blick auf die vielen Schüler – alle waren freiwillig gekommen, versicherten die Deutschlehrkräfte des Camerloher-Gymnasiums – war sich die 36-Jährige, gebürtige Ukrainerin nicht sicher, welche Stellen aus ihrem neuen Roman sie vorlesen sollte. „Bekomme ich von den Lehrkräften grünes Licht, auch Passagen vorzulesen, die im Bordell spielen?“ Natürlich! Marjana Gaponenko unterbrach ihre Lesungen immer wieder, ließ sich auf Assoziationen ein und suchte das Zwiegespräch mit ihrem Publikum.

In ihrem neuesten Roman „Das letzte Rennen“ geht es um den Vater Adam, einen erfolgreichen Pferdezüchter, und seinen Sohn, einem Nichtsnutz, der den väterlichen Reichtum genießt, aber in seinem Leben nichts auf die Reihe bekommt. Er bleibt in Abhängigkeit vom Vater. Marjana Gaponenko rückt ihrem Roman nicht so sehr das Taugenichts-Motiv oder auch den Vater-Sohn-Konflikt in den Mittelpunkt, sondern sie wirft einen kritischen Blick auf die Gesellschaft. „Kaspar, der Sohn und Ich-Erzähler, ist von super Kapitalisten umgeben“, sagte Marjana Gaponenko. „Wie geht es so einem jungen Menschen, der in einer solchen Umgebung aufwächst? Man soll sich stets Gedanken machen, wie man sein Leben leben soll.“ Ein Happy End gibt es nicht. Das liege ihr nicht, so Gaponenko. Das Rennen gewinnen in ihrem Roman die Frauen, nicht die Männer. „Frauen wissen im Leben, was Sache ist. Sie nehmen ihr Schicksal selber in die Hand.“

Marjana Gaponeko, die in Wien lebt, wo auch ihr Roman spielt, beantworte nach der Lesung viele Fragen aus dem Publikum und gab dabei vor allem den jungen Menschen im Publikum viele Tipps, wie sie ihr Leben angehen sollen. Das Publikum wollte auch wissen, warum sie als 15-Jährige in der Ukraine Deutsch gelernt habe. „Ich lernte Deutsch, weil ich die Sprache unseres ehemaligen Feindes sprechen wollte. Ich wollte damit vielleicht auch die Angst verarbeiten, die meine Eltern und Großeltern vor den Deutschen hatten und teilweise immer noch haben“, so Gaponenko, die beim Café-Camerloher-Publikum einen tiefen Eindruck hinterließ und von der man sicherlich noch sehr viel hören wird.

Irmgard Koch und Helma Dietz, die beiden Leiterinnen des modern studions freising bedankten sich beim Camerloher-Gymnasium für die jahrelange Gastfreundschaft beim Literarischen Herbst: „Das ist hier immer ein besonderer Abend, weil stets sehr viele junge Leute kommen.“ Umgekehrt ist die Fachschaft Deutsch des Camerloher-Gymnasiums sehr glücklich, dass das modern studio freising stets ganz außerordentliche und interessante Autoren für die Lesung im Café Camerloher aussucht. Für die langjährige Verbundenheit überreichten die beiden Fachbetreuer Deutsch, Jörg Bauer und Martin Wildgruber, Irmgard Koch und Helma Dietz ein kleines Danke-Schön-Präsent. sp