In einer Zeit, in der Texte möglichst kurz, einfach und griffig sein sollen, gehört schon eine gehörige Portion Mut dazu, einen Erstlingsroman mit über tausend Seiten zu schreiben. Der 39-jährige Wiener Autor Philipp Weiss hat sich auf dieses Abenteuer eingelassen. Erfolgreich. Im Rahmen des 39. Literarischen Herbstes des modern studio freising las er im Camerloher-Gymnasium aus seinem Roman „Am Weltenrand sitzen die Menschen und lachen“.

Das modern studio freising lädt schon seit vielen Jahren junge aufstrebende Autorinnen und Autoren ins Camerloher-Gymnasium zu einer Lesung ein. Irmgard Koch und Helma Dietz, die treibenden Kräfte des Freisinger Kulturvereins, hatten bislang immer ein gutes Händchen dabei. Auch am vergangenen Donnerstabend. Es sind nicht nur die über tausend Seiten des Romans, die ihn zu etwas Besonderen machen, sondern auch das ganz Neue, dass er aus fünf Bänden in einem Schuber besteht.

Der sehr sympathische und eher zurückhaltend wirkende Philipp Weiss zog die Zuhörer in der Camerloher-Aula schon nach wenigen Minuten durch seine angenehme Stimme in seinen Bann.

Die fünf Bände sind ganz unterschiedlich gestaltet, stammen von fiktiven Autoren und sind verschiedenen gestaltet, einer beispielsweise als Graphic Novel in Mangamanier. Rasch wurde dem Publikum klar, dass sie einen sehr belesenen, klugen und weitsichtigen jungen Mann vor sich haben, der am Weltenrand sitzt und sich ungeheuer vielfältige Gedanken um die Komplexität unseres Planeten macht.

Die Initialzündung zu seinem Roman hatte Philipp Weiss unmittelbar nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima. „Die Welt ist Teil eines umfassenden Dramas“, sagt Weiss. Er will mit seinem Roman dieses Welttheater aufschlüsseln. Für ihn sei die Welt ein „gewagtes Experiment an einem begrenzten Planeten“, auf dem die Menschheit „grenzenlos wachsen“ wolle. Um der Komplexität dieser Welt halbwegs habhaft zu werden, habe sich Weiss entschlossen, seinen Roman in fünf ganz unterschiedliche Bände aufzuschlüsseln. Fünf Protagonisten werfen völlige unterschiedliche Blicke zu unterschiedlichen historischen Zeiten auf das Weltgeschehen. Deshalb sei es egal, so Weiss, mit welchem Teilband man zu lesen beginne. Jeden der fünf Bände hat Philipp Weiss auch mit einer ganz eigenen Sprache und mit einer eigenen Sprachmelodie versehen. „Mein Schreiben kommt aus der Musik. Ich habe ein paar Jahre Jazzgitarre studiert und auch Songtexte geschrieben.“ erzählte Weiss darüber hinaus vieles aus seinem langjährigen Schaffensprozess zu diesem Roman. Für seine Recherche habe er hunderte Bücher gelesen und sei auch eigens nach Japan gereist. Das sei dann so gewesen, wie wenn man ganz viel Fleisch in einen Fleischwolf stecke und dann hoffe, dass daraus dann eine schmackhafte Wurst entstehe, gab Weiss beim Signieren seines Werkes zu verstehen. Die Wurst schmeckt ausgezeichnet und die Mühe lohnt allemal, sich in der Hektik dieser Zeit auf die über tausend Seiten des Romans einzulassen.

Philipp Weiss nahm sich Zeit, um die vielen unterschiedlichen Fragen der Zuhörerinnen und Zuhörer zu beantworten. Eine davon war, wie er mit negativer Kritik umgehe. Denn trotz der vielen Preise, die sein Debütroman erhielt, habe er sich anfangs über die „gehässige Kritik der drei großen deutschen Feuilletons“ schon geärgert. Von Kritik war beim Freisinger Publikum nichts zu hören. Ganz im Gegenteil: lauter Applaus am Ende. Und eine Zuhörerin sagte treffend: „Ihren Roman haben Sie sehr gut hinbekommen.“

Wir dürfen heuer einen zweiten Gast im Rahmen des literarischen Herbstes an unserer Schule begrüßen: Ronya Othmann, die vielen noch als Schülerin bekannt ist, liest am 25. November 2021 um 20 Uhr aus ihrem Debütroman "Die Sommer" vor. Sie und Ihr sind/seid herzlich eingeladen (es gilt die 2G-Regel)!