Am Freitag, den 02. Dezember 2016, war Frau Dr. Stephanie von Luttitz am Camerloher-Gymnasium Freising zu Gast und übernahm im Q11-Kurs von Thomas Gottfried den Religionsunterricht für eine Doppelstunde.

Neben dem persönlichen Lebens- und Glaubensweg von Frau Luttitz ging es um den BDKJ, Fragen der Öffentlichkeitswirksamkeit von Kirche, aber auch um die Gottesfrage in ihrer Bedeutung für unser Leben.

"Ich habe erst spät zum Glauben gefunden", sagt Frau Luttitz. Sie möchte von dem Kurs wissen, wer denn sonntags in die Kirche gehe und ob die Jugendlichen kirchlich sozialisiert seien. Verlegenes Schweigen, dann melden sich die ersten. Im Klassenzimmer sind die Tische in einer Hufeisen-Form angeordnet und sie steht in der Mitte. Die 16- und 17-Jährigen hören ihr anfangs nur zu, dann kommen immer mehr Fragen auf. Frau Luttitz ist die ganze Zeit sehr nah dran an den Jugendlichen und beginnt die Doppelstunde, indem sie über ihren Lebens- und Glaubensweg spricht. Die Mutter ist katholisch, der Vater evangelisch und von ihm hat sie gelernt, immer kritisch zu sein und die Dinge zu hinterfragen. Aufgewachsen ist sie auf einem landwirtschaftlichen Gut im Süden Münchens, dort betreibt ihre Familie eine Enten- und Gänsefarm in dritter Generation. Mit der Freilandzucht hat Frau Luttitz sich schon früh Gedanken über Nachhaltigkeit und den Schöpfungsgedanken gemacht. Der Religionsunterricht in der Schule war für sie lange Zeit das Fach, auf das man nichts lernen musste und das von vielen nicht wirklich ernst genommen wurde. In der Oberstufe wurde das Fach dann wahnsinnig spannend. Trotzdem berichtet sie: "Man hat sich schwergetan, über den eigenen Glauben sprechen." Zum Studium der Kommunikationswissenschaft ging es nach Wien: "Das Studium war die spannendste und aufregendste Zeit meines Lebens." Als dann die Frage nach dem Thema der Doktorarbeit aufkam, war ihr klar, dass sie über etwas Sinnvolles schreiben möchte. "Warum ist Kirche so uncool und altmodisch?", fragt Frau Luttitz in die Runde. Einige Schüler lachen und ein paar nicken zustimmend. Es war ein langer Weg, bis ihre Doktorarbeit mit dem Titel Der öffentliche Diskurs zwischen den Medien und der katholischen Kirche erschien. "Die Leute können nicht verstehen, wie jemand katholisch sein kann", blickt sie zurück.

"Wenn man als Kirche die Jugendlichen nicht mehr erreicht, kann man einpacken." Mit diesem Satz betont Frau Luttitz die Wichtigkeit des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend, dessen Vorsitzende sie in der Erzdiözese München und Freising ist. Den BDKJ gibt es seit 1947. Nach dem Zweiten Weltkrieg haben sich die katholischen Jugendverbände zusammengeschlossen, um gemeinsame Werte zu vertreten. Als Dachverband vertritt er die Interessen von rund 66000 Kindern und Jugendlichen in der Erzdiözese. Die Gründe für ein Engagement sind vielfältig: Man lernt neue Leute kennen, man kann seine Interessen einbringen und findet Gleichgesinnte. Der Verband definiert sich über das Ehrenamt, das Prinzip der Freiwilligkeit und die Demokratie. "Das Ziel unserer Arbeit ist die Selbstfindung und Selbstverwirklichung junger Menschen. Wir begleiten bei der Sinnsuche und helfen dabei, die Persönlichkeit zu entwickeln", klärt Frau Luttitz den Kurs auf. "Die Grundlage all unseren Handelns ist Jesus Christus." Frau Luttitz ist eher durch Zufall zum BDKJ gekommen und findet es heute gut, dass sie die Gesellschaft aktiv mitgestalten kann. Neue Mitglieder durch Werbung zu gewinnen ist nicht primäres Ziel des BDKJ. "Du kannst nicht zu jemand gehen und sagen, du musst jetzt meinen Glauben annehmen." Die Leute müssen also von sich aus kommen und sich engagieren. Über Freizeitaktivitäten erreicht der Verband Kinder und Jugendliche am besten und kann ihnen so die katholische Kirche näher bringen. Dem Trend, dass immer weniger junge Menschen sich mit der Kirche beschäftigen, kann man nur auf diesem Weg entgegenwirken. "Verbände haben eine enorme Kraft hier in der Diözese und das müssen wir nutzen", stellt Frau Luttitz fest. So ist sie als Vorsitzende des BDKJ automatisch auch im Vorstand des Diözesanrats.

Nun stellt sie die Ergebnisse ihrer Doktorarbeit dem Kurs vor. "Den hier kennt ihr doch alle, oder? Das war ein medialer Super-GAU für die Kirche", erzählt Frau Luttitz und zeigt ein Foto vom ehemaligen Limburger Bischof Tebartz van Elst, der durch sein Luxusleben einen bundesweiten Skandal ausgelöst hat. Es gibt aber auch positive Dinge, über die sie in ihrer Doktorarbeit berichtet: "Wer ist die beliebteste Persönlichkeit der katholischen Kirche? Die kennt ihr auch alle." Gemeint ist der twitternde Papst Franziskus, der vom Time Magazine zur Person of the year 2013 gewählt wurde. Die Kirche in der medialen Öffentlichkeit, die Medien haben auf jeden Fall eine große Macht mit ihrer Berichterstattung. Es gibt eine große Sprach- und Verständnislosigkeit, es besteht eine Fremdheit zwischen Kirche und Medien. Die Journalisten haben eine deutliche Grundhaltung gegenüber der katholischen Kirche, die in den Medien oft als hinterwäldlerisch dargestellt wird. "Man redet nicht mit dem anderen, weil man denkt, dass der andere einen selbst nicht versteht", fasst Frau Luttitz diese Beziehung zusammen. Es existieren in den Medien drei immer wieder auftauchende Deutungsrahmen, sogenannte Frames: "Der Kirche ist ihr Besitz wichtiger als die Menschen, sie diskriminiert und versucht ihre Ansichten den Menschen aufzuzwingen." Jede Kritik an der Kirche appelliere an einen Wert, der fast immer ein christlicher Wert ist. "Glaube heißt, von etwas überzeugt zu sein, das man nicht sieht." Die Frage ist nicht, wo Gott ist, sondern wo man selbst ist: "Es geht letztendlich darum, wie ich mit Gott kommuniziere."

Zum Abschluss der Doppelstunde hat Frau Luttitz einige Fragen mitgebracht - typische Fragen wie sie sagt, wenn man sich mit dem Glauben beschäftigt: "Warum lässt ein guter liebender Gott so viel Leid zu?" Jetzt ist es an den Schülern, weiter zu machen. Ein Mädchen, das sich sofort gemeldet hat, meint, dass Gott nicht allmächtig ist. Sie glaubt daran, dass Gott der Erste ist, der mitleidet, wenn Menschen leiden. Man merkt ihr an, dass sie sich schon öfters mit dieser Frage auseinandergesetzt hat. Ein Junge ist der Meinung, dass Gott den Menschen viel Freiheit gegeben hat und zu viel Eingriff der Welt nicht gut tut. Denn die Erde sei ja schließlich kein Puppenspiel. Der Nächste meldet sich: In jedem Menschen sei das Gute vorhanden, die Menschen tun sich das Schlimme selber an. "Die meisten Menschen können sich mit dem Leid nicht auseinandersetzen, sie geben die Verantwortung immer weiter", teilt eine Schülerin der Runde mit. Beim Kauf von vielen Produkten unterstütze man zum Beispiel Kinderarbeit in der Dritten Welt - anstatt diese Ware nicht mehr einzukaufen, verdrängt man das Thema und gibt etwa den Konzernen die Schuld an der Situation. Die Diskussion könnte noch ewig so weiter gehen, aber dann läutet die Schulglocke.

Religionsunterricht mal nicht strikt nach dem Lehrplan - sondern mit einem Gast von außen.