Franz Schuberts „Winterreise“ zählt zu den bekanntesten und wichtigsten Liederzyklen der Musikgeschichte. Thomas Noichl, Musiklehrer am Camerloher-Gymnasium, und der Freisinger Nachwuchstenor Stefan Hör präsentierten die „Winterreise“ am Freitagabend in der voll besetzten Bibliothek des Camerloher-Gymnasiums.

Der Rahmen für dieses Konzert war gut gewählt. Die Bibliothek sorgte für die knapp hundert Zuhörer für eine intime Atmosphäre. Für den jungen Freisinger Nachwuchstenor ging ein lang ersehnter Wunsch in Erfüllung. Zusammen mit Thomas Noichl, einem der renommiertesten Pianisten in der Region, hatte er die anspruchsvolle Winterreise von Franz Schubert einstudiert.

Stefan Hör studiert Brauerei in Weihenstephan, ist aber von klein an der Musik sehr zugetan. Seit einiger Zeit singt er im Landesjugendchor, ein untrügliches Zeichen für sein außergewöhnliches Talent. Für Stefan Hör hat die „Winterreise“ eine ganz besondere Bedeutung: „Dieser Liederzyklus hat mich der Klassik näher gebracht.“

Franz Schubert hat den Liederzyklus ein Jahr vor seinem Tod komponiert. Die Texte stammen von Wilhelm Müller, einem sehr bekannten Dichter in der Epoche Romantik. „Fremd bin ich eingezogen, fremd zieh‘ ich wieder aus.“ So beginnt die „Winterreise“. 24 Lieder enthält der Zyklus, der keinen einheitlichen Handlungsstrang erkennen lässt. „Geprägt ist dieser Liederzyklus von einer depressiven Grundstimmung“, informierte Thomas Noichl die Zuhörer. Wilhelm Müller stellt in den 24 Liedern Eindrücke eines jungen Wanderers dar. Die Eindrücke schwanken von überschwänglicher Freude bis hin zu hoffnungsloser Verzweiflung. Der Topos des Wanderns ist typisch für die Zeit der Romantik. Die Romantiker waren mit der Welt, in der sie leben mussten, unzufrieden und brachen auf, um vielleicht in einer anderen Welt, einer Welt der Poesie, ein erfüllteres Leben zu finden.

Franz Schubert gelingt es hervorragend, die in den einzelnen Gedichten von Wilhelm Müller erzeugten Impressionen und Gefühle in Musik umzusetzen. Und es gelingt an diesem Abend vor allem Stefan Hör und Thomas Noichl die „Winterreise“ perfekt umzusetzen und zu interpretieren. Thomas Noichl suchte dabei immer wieder den Blickkontakt zu Stefan Hör. Beide harmonierten perfekt. Stefan Hör ist einerseits stimmgewaltig, andererseits ist er auch in der Lage, einfühlsam die düsteren und depressiven Passagen der Texte hervorzuheben. Ein wunderschöner Liederabend in der Camerloher-Bibliothek von zwei Ausnahemusikern, der zurecht mit viel und langanhaltendem Applaus belohnt wurde. Apropos Winter: Schuberts düstere „Winterreise“ passte exakt zum harten Winter der letzten Tage. „Mit der Aufführung von Schuberts ‚Winterreise‘ haben wir aber jetzt endgültig den eisigen Winter abgeschlossen“, entließ Thomas Noichl am Freitagabend die Zuhörer in die eisige Winternacht. sp